Ich kannte dich nicht. Aber ich hatte dich sicher schon gesehen. Vielleicht sogar mit dir getanzt.

Ich war erst ein paar Wochen in dieser Gruppe, und sie ist nicht klein.

Bevor es wieder losging, in diesen Tagen, die Nachricht: Du seist in den Sommerferien, als Bergsteigerin, in den Dolomiten gewandert. Und nicht mehr zurückgekehrt.

 

 

Eine 39-jährige Lehrerin aus Münster, die sich, wie ich, für Biodanza begeisterte.

 

Dein Gesicht, das die Medien veröffentlichten, ist offen und vertraut. Vielleicht etwas waghalsig, herausfordernd, dachte ich, aber das kann unlautre Zuschreibung sein.

 

Ich habe den Sommer so verbracht: in einem kleinsten Radius zwischen Wohnung, Café und Schwimmgelegenheiten. Ich kam mir nochmals näher. Und weiß ja, von eigenen Vorhaben, welche Energien wo entfesselt werden können. Höhenwege in den Dolomiten zu erwandern, allein, da muss man sich schon einiges zutrauen.

 

In meinem Hirn sehe ich dich lautlos lachen, ohne dich gekannt zu haben, gegen die Sonne, mit der Sonne, dieses Gefühl, seine Kräfte in der Natur zu spüren, sie auszuleben, Räume und Wege zu erschließen, innere wie äußere, die

glücklich machen.

 

dein Projekt, die Dolomiten zu erwandern, war ein Glücksentwurf.

 

Ich imaginiere sorgfältige Vorbereitung, eine gewisse Leichtfertigkeit des Entschlusses, deine Freude

 

auf diesen selbst gewählten Sommer. Ohne zu wissen, wie’s niemand weiß, was dich erwarten würde.

 

Die Polizei hat die Suche nun eingestellt. Wie traurig auch die Information, dass dein Wagen, der noch zwei Wochen auf dem Parkplatz gestanden hatte, nun zurückgefahren wurde.

 

Fällt zusammen mit dem Tod meines Patenonkels Franz, 1994. Auch hier das, was dann zum inneren Bild oder Geschehen wird: Als nach seinem Tod sein Wagen noch irgendwo in der Stadt stand.

 

Niemand außer dir weiß, was passiert ist. Und du bist nicht mehr. Dein Gesicht, das so offen sein konnte, in einer Felsspalte oder irgendwo in Verwesung.

 

anstatt nun wieder ganz und feinstofflich bei dir zu sein, nach deinem Trip in den Dolomiten, dich auf die Schule vorzubereiten, auf den Tanz –

 

Hätte ich das gewusst - -, ich hätte dich ja besonders beachtet. Aber das hättest du vielleicht nicht gewollt. Wie oft geht es darum, einem wilden Ruf zu folgen.

 

(August 2016)

 

 

 

 

II (Oktober 2016)

  

als dein Leben zerstört wurde

 

als keine Luft mehr durch deine Lungen strömte

 

als du da lagst, in der Felsspalte, vom „Gleichmacher“ Tod gemacht wie zum Gegenstand.

 

Erinnerung: Wie es sich zusammenzog, das Herz aus Furcht. Ging so sehr nach innen, aber verschwand nicht in mir. Im nächsten Ausatmen brach es ungeahnt hervor. All das, was eigentlich zärtlich umfangen gehörte. Und auf das Gegenteil trifft.

 

*

 

Ich glaubte dich nicht zu kennen, und es stimmt nicht, wie ich festzustellen hatte, als ich weitere Fotos von dir sah. Auch du hattest viele Gesichter. Es war, so ergab es sich bei jener Art Tanz, eine lange Zärtlichkeitsübung mit dir. Einer stellte sich vor den andern. Derjenige hinten durfte denjenigen vorne streicheln, so, wie es beide wollten. Wir waren bis dahin nicht in Kontakt gewesen und wollten beide weit. Dann – der Übung gemäß – löstest du dich und suchtest im Raumdunkel zu schweben wie ein Engel. Da passte etwas, das Schweben und diese Musik und der Engel in dir. Dann kamst du – ebenso der Übung nach – in meine Arme. Es war so unbekannt und traumschön. Janna. Ich wusste ja nicht, dass du so heißt. Dann Wechsel. Hinter mir stehend, streicheltest du mich wie ich dich, also ganz. Ja da passte etwas, das Schweben und diese Musik und der Engel in mir. Es war so zart und geborgen in deinen Armen. Wir standen sehr lange, wollten

nicht mehr loslassen. Ich fuhr, ja richtig selig nach Haus. Das war im Juni. Anfang August stürztest du ab für immer.

 

Morgen werden deine Reste beigesetzt.