Gegenwartsgeschichtliches

Jahresende 2020

[Beginn 1. 12. 2020]

 

 

 

 

Ein Wundenengel erschien im Traum.

Er saugte die Wunde aus und sie war gereinigt.

 

 

 

 

Tatsächlich geht es darum –, die Konnotationen in sich ganz anders auszumalen, als sie im öffentlichen Raum sind und überliefert wurden.

 

 

 

Ein Leben wird auch dadurch leerer, indem Prozesse nun

ganz anders bewertet werden.

Prozesse, die ein Leben kosteten.

 

 

 

»Das Königreich meiner Wohnung«, sagte er, »zur Findung.«

 

 

 

Sieg über die Weltgeschichte . . .  : diese Bewusstheit jetzt.

 

 

 

»Es fühlte sich so an«, hatte Carl gesagt: »alles ist vertan, alles verhunzt.«

 

 

 

Ein Mensch kommt entgegen wie Personifizierung einer der Konnotationen, die so einseitig schlecht wirken, so schwer zu vermeiden und so schwer zu verändern sind.

So schwer sind.

 

 

 

Schädlinge, die als Wohltäter daherkommen.

Krallt sich Ärger so was, entsteht Wahrnehmung von Niedrigkeit.

Ein Problem an sich schon, mit so etwas umzugehen.

 

 

 

»All das, was ins 'innere Haus' eintrat«, hatte sie einmal gesagt, »das sich weder totschlagen noch verbrennen ließ.«

 

 

 

Ärger hob jeden Abstand zum Unguten auf.

 

 

 

Hängte sich an Psyches Freiflug, der dann

mit diesem Schredder geschah.

 

 

 

Wörter wie »entscheidend«, »furchtbar« oder »definitiv« stellen sich ja nur gegen die Sache, die sie zum Ausdruck bringen wollen.

 

 

 

Ein einzelnes gekräuseltes Blatt auf Fußgängerzonenasphalt, vom Wind für einen Moment in die Luft gehoben.

 

 

 

Rote Schleifen an öffentlich stehenden Weihnachtsbäumen.

Also nichts was wirklich wohltäte, nichts was echten Aufenthalt schenkte.

Die Entsinnlichung durch die Corona-Masken

und die chronisch gewordene Abwesenheit an Handys

sowie das üblich gewordene Reden in elektronische Geräte hinein in der Öffentlichkeit

geben dem wirklich fühlenden Menschen gespenstische Eindrücke.

Vorweihnachtszeit 2020.

 

 

 

Menschen haben sich an neue, schlechte Normen gewöhnt

und blinzeln schon durch danach,

wer sie übertritt, schon in der Haltung, zu ahnden.

 

 

 

Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man in der Wüste.

(Jüdische Weisheit)

 

 

 

»Ich verbringe keine Tage als Verkäufer beim ›MediaMarkt‹ dergleichen«, sagte Marcel, »ich realisiere durchgängig seelische Tage.

 

Und blicke in Ungeheuerlichkeiten allein schon dessen, was ich selbst tat.  

 

Mir war immerhin bewusst, dass das 'eigentliche Leben' nicht möglich war.

'Wählte' bestmögliches ›Ersatzleben‹.

 

Ja allein bekomm ich Welt schon begriffen.«

 

 

 

Unsere Gefühle und unser Körper sind wie Wasser, das in Wasser fließt. Wir lernen, in den Energien der Sinne zu schwimmen.

(Tarthang Tulku)  

 

 

 

Erinnerung daran von »null auf hundert« erregt, aufgeregt gewesen zu sein. Zurück hetztest, alle Regeln missachtend, weil du dachtest, dieses verloren zu haben. Dieses noch retten zu können.

 

 

 

Ihr vorbehaltloses Fluss-Gefühl, das ihn – so vorbehaltlos –

nie mehr erreichen wird.

 

 

 

»Nicht ganz da gewesen«, nachts kaum mehr Grenzen in sich gehabt, stand auf und schlug mehrfach an Gegenstände an.

 

 

 

»Der Gedanke war so stark gewesen«, sagte sie, »dass die Dinkelbrezel, die ich dabei gegessen hatte, nicht dagegen ankam, will sagen: ich spürte nichts davon.«

 

 

 

Ein Gedicht entwickelte sich schöpferisch und: ja genial im Traum

 

 

 

Traum: direkt am Meer. Wohlgefühl mit andern. Abhang. Ein langer Baumstamm trieb immer wieder auf den Abhang zu. Unten in der Tiefe das Meer. Einige gingen hinter dem Stamm her, damit er nicht runterfalle. Selbst runterzufallen wäre tödlich gewesen. Empfand keinerlei Angst.

 

 

 

Der krumme Baum lebt sein Leben, der gerade Baum wird ein Brett.

Lass dir dein Leuchten nicht nehmen, nur weil es andere blendet.

Manchmal ist Schweigen die einzige Möglichkeit auszudrücken, wie verletzt man ist.

(Chinesisches Sprichwort)

 

 

 

Die meisten Grundschulkinder seien schnell zufriedenzustellen gewesen.

 

 

 

»Es ist das Gleiche seit eh«, sagte M.: »Menschen scheinen sich ungeheuer darin zu gefallen, Problemlosigkeit zu mimen und in ›In-Ordnung-Energien‹ kollektiv einzustimmen. Somit partizipieren sie an einer Deutungsmacht, erleben sie in ihrem personalen Raum. Ob Diktatur, Corona oder KZ. Sicher bestehen da graduelle Unterschiede. So sieht es – noch immer – aus.«  

 

 

 

Fühlte ihre so sensible, feinflüssige innere Lava

in meine Augen eintreten.

 

 

 

»Die Geschichte eines Menschen lässt sich auch so sehen«, sagte er: »Ein Schlag nach dem andern. Im höheren Alter verkraftet ›man‹ dann ansatzweise.«

 

 

 

Als sei alles durchgelaufen und habe mich

leer hinterlassen.

 

Ich weiß vor Angst nicht ein und aus,

vor Angst nicht aus und ein.

Einst war's ein Glück, nun ist's ein Graus;

Und was wird morgen sein?

 

Komm, Abend, eh es Morgen wird,

und bette mich zur Nacht.

Mir scheint, ich habe mich geirrt

Und alles falsch gemacht.

(Peter Gan)

 

 

 

Wie sieht mein Herz wirklich aus.

Ist es bereit, etwas

zu geben?

 

 

 

»Setze an«, sagte sie, »IM Kontrollverlust.

Dann kannst du dich nur verbessern.«

 

 

 

Was in letzten Wochen getan?

»Ich habe ganz viel für mein Leben geschafft.«

 

 

 

Anstrengend: In Gegenwart von Menschen nicht mehr atmen zu sollen. Immer Distanz suchen zu sollen. Covid-19-Öffentlichkeit.

 

 

 

Sich imaginieren in den sichersten aller Räume.

 

 

 

Wie hell es wurde in ihrem Herzen.

 

 

 

»Ich fühle die ganze Zeit ihr gegenüber zart«, sagte Marcel. »Aber wenn ich ihr begegne, oder es in Aussicht stünde, ihr zu begegnen, setzt etwas zwingend dagegen ein

 

 

 

 

Ich habe manchmal Heimweh nach meinem lebensgeschichtlich jungen Bewusstsein

 

 

 

Erinnerung daran, wie Stück für Stück Hoffnung sank bei etwas, wofür so viel getan wurde, auch gut damit anzukommen.

 

 

 

Der Ort deines Gesichts.

 

 

 

Mit Brot und Thermoskanne Kaffee früh am Morgen aufbrechen.

 

 

 

Er ärgerte sich im Moment des Aussprechens schon über

eine allzu selbstverständliche Frage, wie er meinte, aber dasjenige

stand bei demjenigen tatsächlich in Frage.

 

 

 

Jede Minute mit ihr – wie schnell war es doch zu Ende – war kostbar.

 

 

 

Sie habe sich sexuell in ihn verliebt, sagte sie.

 

 

 

Die Tiefe der Ungestörtheit.

 

 

 

Blieb damit davor: unendlich traurig.

 

 

 

So übermüdet, ausgedörrt: zu viel Text, zu wenig Berührung.

 

 

 

»Was ich zu leiden hatte«, sagte Marcel, »nur weil ein Mann, eine Frau mal Lust hatten und ich auf der Welt bin.«

 

 

 

Er fürchte sich vor den fremden Verarbeitungsprozessen in seinem Körper.

 

 

 

Ganz allein sehen, wie man

aus all den sozialen Prozessen herauskam.

 

 

 

»In welcher Weise«, sagte Marcel, »bist du mit einem Schlag da?«

 

 

 

»Dieser Belag«, sagte er, »ist für dieses gute Brot viel zu grob und in schlechter Weise dominant. So ist es auch mit dem Beruf«, erklärte er weiter, »er muss fein mit Art der Person korrespondieren. Sonst erwächst schon etwas daraus, das niemandem guttut.«

 

 

 

»Im Nachhinein«, sagte er: »Jeden Moment zu einem goldenen gemacht.

War es von vornherein.

Hatte es nur nicht so erschlossen.

Aber jetzt.

Gerechtfertigt, so.«

 

 

 

»Beziehung«, sagte sie: »Vom Chaos ins Glück.«

 

 

 

Fenster in der Nacht bis zum Anschlag auf: eiskalte, klirrende Dezemberkälte.

 

 

 

»Als ich tief im Kern sie berührte mit meiner Stimme – ich hatte es nicht beabsichtigt, merkte es aber sofort –«, sagte Marcel, »wie tief erotisch sie strahlte, die mir sonst nicht Bekannte.«

 

 

 

»Jetzt, nach so langer Zeit danach«, sagte Carl, »bin ich auf der Spur der Überwindung

 

 

 

»Das gehört zu dir, so bist du«, sagte sie.

»Nein nein, sei da mal vorsichtig«, sagte er, »auch im spirituellen Sinn; es gibt Manifestationen, aber sie sind offenbar allesamt oder überwiegend temporärer Art.«

 

 

 

Die schwersten Wege

werden alleine gegangen,

die Enttäuschung, der Verlust

[…]

Die Hände der Lebenden die sich ausstrecken

ohne uns zu erreichen

sind wie die Äste der Bäume im Winter.

[…]

Und die verlierbaren Lebenden

und die unverlierbaren Toten

dir das Brot brechen und den Wein reichen – 

und du ihre Stimmen wieder hörst

ganz nahe

bei deinem Herzen.

-

(Hilde Domin)

 

 

 

Das »Equipment einer Situation«: Plexiglas, 2 Personen, Maske, innere Haltungen. Und nun welche Kommunikation?

 

 

 

Licht-Fokussierung der Elemente

eines jeden »Equipments«.

 

 

 

Worum geht es in einer Beziehung?

Jederzeit darum, alles dafür zu tun, dass die Verbindung gut ist.

 

 

 

Augenhöhe, ja. Aus unendlicher Ferne der Geringschätzung

nahm er bestimmte Menschen und das andere Geschlecht wahr.

 

 

 

Was schlug

durch die Gene durch?

 

 

 

Ein Fest aus Licht Schatten und

Licht.

 

 

 

»Fiel wieder ins Koma der Abwesenheit von mir selbst«, sagte Carl, »ganze Minuten.«

 

 

 

Hörtest die Rede, die du nicht hören wolltest. Was machtest du damit?

 

 

 

Wenn ein Kopf sozialdissonante Gehalte

feuert.

 

 

 

Der bei dir einsetzende Furor, wenn etwas nicht nach deinem Willen . . ., das

abänderbar wäre, aber gerade nicht abänderbar ist . . .

 

 

 

Hingabe: Du musst deine Ermordung

im Innern

 

zulassen.

 

 

 

Welche Wirkungen das hat und haben wird, dass der Mensch vor dem Menschen

bei jeder Möglichkeit von Nähe nun

flieht.

Langfristig: Keine?

 

 

 

 

Untergehen

in Würde.

In seinem eignen Raum.

Mit dem, was man möchte.

 

 

 

 

»›Ich wurde halbiert‹, hatte Carl geschrieben«, sagte Marcel. »›Ich hatte einfach keine Chance mehr‹, so Carl, ›mich im Innern ganz frei zu bewegen wie zuvor. Ich musste anfangen zu denken . . ., wie ich welchen Kontakt gestalte, in welcher Verfassung – Zustände, die mich immer wieder negativ überraschten – ich welchen Raum bezog. Damit war es vorbei, mit der Freiheit. Und, wie sich erweisen sollte, konnte dies nicht mehr aufgehoben werden: diese Unfreiheit.‹«

 

 

 

Und jetzt die Frage der Fragen: Hast du die Wahl? Oder schämst du dich schon?

(Ulrich Schödlbauer, Versuch über das Sinnlose)

 

 

 

»Der Kosmos, der in mir erfunden wurde? Der mich so entfremdet. Was denn in mir«, schrieb Carl, »wollte es so? Dass ich mich darin einrichtete vielmehr: diesen und keinen anderen Kosmos ausbaute. Was also in mir wollte es, dass ich mich verliere? Was war es, dass es nicht aushielt, weiter zu sein wie ich war? Kann man das so sagen?«

 

 

 

»Eine Art Rochard-Test«, schrieb Carl, »bei mir selbst. Ich hörte einen Ähnlichkeitslaut – zu dem Namens-Stigma, das mich traf, von einer jungen Frau. Es hatte nicht das Geringste mit mir zu tun, ich war in keiner Weise angesprochen gewesen. Dieser Laut von ihr war so unverschämt lustvoll . . . . ., da war gar keine Angst, gar keine, das war so lustgefettet, lustüberfettet, es gibt kein Wort dafür, während mich bereits diese Lautähnlichkeit traf, und zwar so, und zwar in solcher Verdichtung, dass jeder Wahrnehmungsansatz sofort und direkt aus meinem ›inneren Zentrum‹ führte. Und zwar jedes Mal bei jedem Kontaktversuch jetzt. Während sie sich auf alles und jeden zubewegte, wohin sie auch wollte, und sich ebenso mittig, noch mittiger dabei fortsetzte.«

 

 

 

»Mit Einsetzen des Anti-Lust-Apparates – in antiker Zeit waren es Brandmarkungen, mit glühendem Eisen an Menschen vollzogen – und damit einhergehenden Gedanken, egal wie sie ausfallen«, schrieb Carl, »habe und hatte ich bereits verloren.«

 

 

 

»Etwas in sich zu tragen«, so Carl, »mit dem – unter Menschen – sofort das Aus eintreten kann. Eintritt.« 

 

 

 

The lunatic is in my head
Das Wahnsinnige ist in meinem Kopf
The lunatic is in my head
Sie heben die Klinge an, Sie nehmen die Änderung vor
You raise the blade, you make the change
[…]

Da ist jemand in meinem Kopf, aber es ist nicht ich
There's someone in my head but it's not me

(Pink Floyd, Brain Damage)

 

 

 

»Offenbar brauchte ich m/ein 'Schicksal'«, schrieb Carl, »um mich wirklich realistisch entfernen zu können. Von dem, was mich umgab. Von dem, das ich nicht ertrug.«

 

 

 

Sie verkauft Bücher in jenem Laden, der mich kaum je inspiriert hat. Immer mal flackerte etwas auf, was? Sympathie, umfassende, ja. Dann war ich Monate nicht in dem Laden, vergaß sie vollständig, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Jetzt wieder, als sei alles hoffnungslos und aus vergangener Zeit, in dem Laden. Mit Einkaufskorb, damit Menschen ferngehalten werden, und Corona-Masken. Nach Weihnachtsgeschenk schauen. Kommt mir vollständig ungesund vor. Das Weihnachtsgeschäft. Sie kommt auf dich zu – sich behandeln wie eine alte Liebe, die nie eingelöst wurde. Schöne Scham, wertschätzende Scham. Und wieder aus dem Laden gehn. Und sie bald wieder vergessen. Und vergessen werden. Sie hatte einiges an Fett angesetzt, macht ja nichts; als ich wahrnahm, wie ihr bewegliches Bewusstsein, ihre spezifische Existenz durch ihren Körper geisterte.

 

 

 

In der Kindheit war er herausgenommen. Nein: er war gar nicht da. Leben ohne Schmerz. Einmal lang durfte ich ganz fühlen: wie das ist.

 

 

 

Die Maske der Töne, die du schon von dir gabst, und verzwickter Gedanken, die schon in dir waren. Die vorgaukelten: d/ein Leben sei verdorben.

 

 

 

Wer sich seiner Herkunft schämt, wird vernichtet.

(Ulrich Schödlbauer, Versiegelte Welt)

 

 

 

»Ich hatte wohl 'zu viel' Distanz in jener Zeit«, schrieb Carl, »sodass ich anfing zu zerstören.

 

Irgendwann werde ich wieder erscheinen, in der Herrlichkeit meines So-Seins.

 

Und weiß doch, es ist nur Christus-Attitüde.«

 

 

 

Das Glück, das sich herausstellte, nach J a h r ( z e h n t ) e n

intensivstem Schreiben.

 

 

 

Jemand erschien unerwartet. Zugleich sofort jene Unruhe. Als ginge es in Kampf. Der

Anwesende wurde mit aufgescheucht.

 

 

 

»Das schwächer werdende Augenlicht.

Das schwächer werdende Gehör.

Sich allmählich weiter noch zurückziehen«, sagte er, »in die Berge der Wohnung um

noch sonderbarer zu leben.«

 

 

 

»Ein Segen«, sagte M., »wenn es so kommen sollte, dass Silvester 2020 weit weniger los ist.«

 

 

 

Was ein Satz an Großräumigkeit und Weite

 

entstehen lässt.

 

 

 

»Auf einem Foto hab ich schon eine Art 'Schrumpfkopf'«, sagte M., »geht schon in Richtung: letzte Phase des Todes.«

 

 

 

Sich ent-wickeln

 

 

 

»Ihre Strenge«, sagte er. »Ich kenne es von mir selbst: zu eng angelehnt an Realitätskacke. Ich will sie nicht mehr: diese Enge in der Strenge.«

 

 

 

So unvermeidbar ein Geschick dir scheine,

neig ihm dein Haupt in frommer Demut nie.

Was heute sich des Schicksals Maske lieh,

war gestern vieler Möglichkeiten eine

(Arthur Schnitzler)

 

 

 

Wir erkennen den Druck nicht, dem ein anderer ausgesetzt ist.

 

 

 

»Carl schrieb«, so Marcel, »auch dies: ›Es setzte offenbar Gelächter ein, Sexualgelächter darüber, nicht frei zu sein. Um den Kopf nicht gesenkt zu halten, was wie ein Automatismus geschah, richtete ich ihn also auf. Mein unerfülltes Begehren wurde so stark, dass ich in Richtung der Frauen sah, von Gesicht und Körper etwas aufnehmen wollte. Und in dem Maße, wie dies zielgerichtet wurde, nahm die Stärke von De-Zentrierung zu. Es erinnerte mich an eine Art ›Hampelmann‹. Der forciert wurde, indem das Gelächter der Frau lauter und gemeiner wurde. Ebenso hermetisch, nur voll Lust – das war der Unterschied. Differenzierungen, Mitgefühl, Hilfe – spielten keine Rolle. Es lässt sich schwer entscheiden, ob das Verhalten überhaupt meiner Erscheinung galt, wenn man in solche inneren Prozesse gerät. Ich war ja schon vorher drin. Ich selbst hatte die Reaktion bewirkt, weil ich Kontakt aufgenommen hatte. So ist es zu sehn. So habe ich alles, was mir im Leben widerfahren, selbst bewirkt. Die ›Szene‹ ist unabänderlich. Das ganze Ausmaß, in dem ich schlecht abschnitt. So auch alle anderen Situationen im Leben, jede einzelne, naturgemäß, unabänderlich.‹«

 

 

 

Wenn jemand, den man für einen Freund gehalten hat, eine

ganz andere Bewertung äußert.

 

 

 

»Er schrie«, sagte Marcel. »Dann schrieb er.«

 

 

 

»Ein Junge spurtete mit dem Rad durch die Fußgängerzone. ›Hey‹ rutschte es mir sehr laut, aggressiv, maßregelnd heraus. Erschreckte vor eignem Ton. Geriet damit in ganz anderes Energiefeld: ober-flächlicher, verächtlicher, reizbarer. Was in dem Fall angemessen erschien –, wurde an andrer Stelle anders. Mit der Art: maßregelnd, ober-flächlich, verächtlich, reizbar, schritten sie weiter: zum Mord. Den Kontakt zu ihrem Innern, zum andern schließlich

 

verloren.«

 

 

 

»Wie so viele vor mir«, sagte M., »spekuliert etwas in mir offenbar damit, sterbenskrank zu werden? Tod oder Leben! Damit, mich GANZ dieser letzten Herausforderung zu stellen, was zugleich hieße, Verantwortung nach außen hin abzugeben, wohin sich etwas in mir sehnt.«

 

 

 

So unruhig die frühen Nächte auf Straße vor Weihnachten. Corona-Aggression. So weit entfernt, plötzlich . . ., eine Stimme, Erinnerung, als ich 30 war.

 

 

 

»Ich kann nicht tun, als sei nichts geschehn«, sagte Carl, »nicht einfach ›Baum‹, ›Haus‹ und ›Meer‹ sagen. Und das sinnlich füllen und weiter nichts.«