Lichthof 3.1: Wunder des Seins
DUNKLE WUNDER
WUNDER DES ICHS
DUNKLE WUNDER
Nebel über dem Kanal. Diese Beinah-Ununterscheidbarkeit von Nebel und Wasser. Hatte schon in der Kindheit ein seltsames Einheitsgefühl ausgelöst.
»Sog der Verrücktheit«, sagte der Freund einmal, dabei – auch – immer weiter ins Geheimnis des Seins vorgedrungen.
Sieh doch, wertschätze doch, wie viele Hautzellen bei diesem Menschen funktionieren.
Traum: Stürztest »kontaktunfähig« von draußen in Wohnhausflur. Das Nachbarehepaar kam an der Haustür entgegen. Signalisiertest Not und eiltest die Treppen hoch in vierten Stock. Vor deiner Wohnungstür standen ein paar Sachen von dir, also von innen nach draußen gestellt, unter anderem deine Schuhe. Und entsetztest bei dem Anblick, dass ein Heiligenbild in die Fluraußenwand, wie unlösbar, eingesetzt worden war.
*
Zustand wie runtergedrückt. An der Schwelle zum Auftauchen wundertest du dich, wie viel junges Leben da noch war.
Keine negativen Glaubenssätze, keine Unterstellungen mehr. Nur noch die Augen aufmachen für das, was lebt.
*
Erinnerung daran, dass nach einer größeren Aufregung relativ unbekannte Stimmen sich menschlich anhörten.
Es so weit geschafft zu haben, dass bei tiefem Einatmen
gesamte Welt, innere und äußere, draußen bleibt.
WUNDER DES ICHS
Sahst dich in einer Art Hymne eigens für dich, in der dein Leben gefeiert wurde, und überblicktest es ganz souverän und freudig.
Die junge Mutter, feinsinnig, wie sofort zu spüren war, die den Kuchen stückchenweise mit ihrem warmen Atem anblies – für ihr Kind.
Plötzlich Erinnerung daran, wie voll du als Kind Schnee empfunden hattest. Der Schnee war so weiß, die Wahrnehmung so frei gewesen.
*
Dein religiöses Verhältnis als Kind zu den Toten in der Verwandtschaft.
Reiner, weißer Schnee, o schneie,
Schneie beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Winterruh!
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(Gottfried Keller, Erster Schnee)
Winteratemfülle
Atemklar
dasjenige hinter der Stirn angesehen.
Keine Selbst-Suggestion; keine Gedanke.
Auch die Schmerzschichten
zusatzlos betrachtet.
In dieser Weise
zu wachsen.