Es herrscht weiterhin so ein unausgesprochenes Dogma vor, «Sex haben zu müssen«, wenn zwei zusammen sind. Dabei ist auch gleich im Umlauf, dass es gut sei, «Kontrolle aufzugeben«. Doch nicht selten kommt dabei jemand zu Schaden. Geringfügig oder: weniger geringfügig. Es liegt, im Nachhinein betrachtet, immer an dem Befund: jemand wurde übergangen.

 

Ja der Fehler liegt im «Dogma« selbst. Der Fehler liegt im «Müssen«. Solche Innensicht, die jedem möglich wäre, kann eingenommen werden:

 

 

Das Staunen: Hast du schon einmal ihr Ohr betrachtet, allein ihr Ohr? Mehrere Mulden und Einkerbungen darin. Hast du sie schon mit deiner Fingerspitze, gar deiner Zungenspitze berührt? Hast du sie schon ausgefüllt und ausgefühlt mit deiner Zungenspitze? Die Kitzellaute und Wohlfühllaute von dort deiner Freundin vernommen?

Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, was Haut ist? Nicht nur beim Blick ins Biologiebuch; dass es Haut gibt und woher sie kommen mag und: dass und wie sie jetzt da ist? Hast du so etwas schon versucht zu ermessen, während du ganz sanft das Schulterblatt deiner Freundin berührtest?

Hast du dich schon ganz genau erkundigt, was sie möchte, hat sie es dir schon gesagt, weiß sie es denn selbst, was hat sie erfahren?

Bist du beim Inneren-Hineingehen-in-Sie schon gestorben vor Hingabe, um als etwas anderes zu erwachen?

Verweilte sie mit ihren Lippen, ihrem Kopfe schon in deinen Körperbuchten?

Habt ihr die Spannung leise atmen gehört, um zusammen im großen, euch übersteigenden Atem innezuhalten?

Bewusstsein.

Hat eure Erregung schon ganz ungestört atmen, sich entfalten dürfen, weil ihr mehr und mehr oder gar vollkommen vertrautet?

Hat sie den Reichtum von Nerven an deinen Füßen erkundet?

Hast du schon darüber gestaunt, dass sie einen Kopf hat, warum hat der Mensch einen Kopf?

Hast du Lärm oder Stille ihrer Tausenden von Synapsen gehört, als deine Hand vibrierend an ihrem Hinterkopf und Haar lag?

Sind dir schon alle Sinne aufgegangen beim Ermessen dessen, was im anorganischen Universum nicht vorzukommen scheint, wofür es bei Menschheit das Wort »Liebe« gibt?

Sei nicht sparsam damit.

Sei sparsam damit.

Ebenso unverletzbar wie verletzbar: Seele.

Es kann sie geben: Seele eurer Liebe.

Die Seele eurer Verständigung.

Habt ihr schon mehr als entspannt, als seien alle Freiräume zusammengeschwommen, das Gespräch – jenseits von Streit – wohin geführt?

Und habt es gar nicht recht bemerkt, was geschah? Dass Kontrolle aufgegeben wurde.